Statement und Forderungen der LAG Medienarbeit zur Medienbildung in Berlin
In einer digitalisierten Welt ist Medienbildung der Grundstein für die gesellschaftliche Teilhabe
Gerade im letzten Jahr unter dem Einfluss der Auswirkungen der Corona-Pandemie wurde deutlich, dass die Digitalisierung unserer Gesellschaft in sehr vielen Aspekten ausbaufähig ist. Nicht nur eine gute landesweite Infrastruktur sowie eine individuelle Grundausstattung mit digitalen Medien ist dabei existenziell wichtig. Auch der Umgang mit den Medien hat an gesellschaftspolitischer Bedeutung gewonnen. Dabei ist nicht nur das technische Verständnis des einzelnen gemeint, sondern auch grundlegende Kenntnisse sozialer Kommunikation und gesellschaftlicher Regeln, der Einordnung und Bewertung von Informationen, dem Schutz eigener Rechte sowie die Wahrung der Rechte anderer und viele weitere Aspekte, die im Begriff Medienbildung zusammengefasst sind.
Die Einschränkung persönlicher Kontakte im letzten Jahr hat uns vor Augen geführt, auf welchem Stand der infrastrukturellen Ausstattung sowie der digitalen Bildung wir uns derzeit befinden. Nicht nur das gesamte Verwaltungen nicht erreichbar waren, weil die Mitarbeitenden weder über WLAN, Laptops und zum großen Teil nicht einmal über dienstliche Mobiltelefone verfügten. Es gab auch keine klaren Regelungen, über welche datenschutzkonforme Kommunikationskanäle Kontakt hergestellt oder gehalten werden konnte. Der Distanzunterricht in Schulen, war nicht nur deshalb kaum möglich, weil weder Lehrkräfte noch Schüler*innen über digitale Endgeräte, wie Laptops oder Tablets verfügten, sondern weil Möglichkeiten nicht erkannt wurden, mit den digitalen Endgeräten, über die 95 Prozent aller Jugendlichen verfügen, das Homeschooling umzusetzen.[1] Die Smartphones der jetzigen Generation sind weltweit vernetzte, multifunktionale Kleincomputer, die auch für die Vermittlung schulischer Inhalte genutzt werden können, wenn das Wissen über den Einsatz von entsprechenden digitalen Tools vorhanden ist.
Aber nicht nur in diesem Punkt zeigt sich, dass wir in Berlin die Medienbildung stärken müssen. Bildung in einer digitalen Welt heißt, dass wir Kinder und Jugendliche den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien vermitteln müssen, um sie auf die digitale Welt vorzubereiten. Die stetig wachsende Mediatisierung unserer Gesellschaft und somit auch die Digitalisierung der Berufswelt erfordert eine umfassende Kenntnis im Umgang mit digitalen Medien. Diese Medienkompetenz wird den Kindern und Jugendlichen sowohl in ihrem persönlichen Umfeld als auch in der schulischen und beruflichen Laufbahn in Zukunft abverlangt.
Wir stehen jedoch vor dem Problem, dass nicht nur Kinder und Jugendliche eine umfangreichere Medienbildung benötigen, sondern dass auch Lehrkräfte und Eltern meist nicht über entsprechend ausreichende Medienkompetenz verfügen, um diese den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln. Neben der Schule müssen deshalb weitere Möglichkeiten existieren, gute Medienbildung anzubieten. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, die Medienbildung nicht nur sofort in der Ausbildung von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften an den Hochschulen zu verankern, sondern auch außerschulische medienpädagogische Lernorte auszubauen, beziehungsweise zu schaffen. Diese sollten neben der Kompetenzförderung von Schüler*innen auch Fortbildungen für einen größeren Personenkreis, wie Lehrkräfte, sozialpädagogische Fachkräfte oder Eltern, anbieten.
Das könnten die bezirklichen Medienkompetenzzentren sein, die dafür jedoch eine bessere Ausstattung benötigen, beziehungsweise als außerschulische Lernorte, vergleichbar mit den Jugendkunstschulen, anerkannt werden sollten. Auch weitere Akteure der Medienbildung sind in Berlin in Vereinen oder gemeinnützigen Gesellschaften tätig, die meist nicht über eine verlässliche Grundfinanzierung verfügen, sondern sich über einzelne Projektmittel finanzieren müssen. Auch hier ist eine finanzielle Stärkung der Infrastruktur notwendig. Ebenso sollten auch bezirkliche Jugendfreizeiteinrichtungen Jugendlichen die Möglichkeit bieten, medienpädagogische Angebote nutzen und verantwortungsvolle Mediennutzung in einem geschützen Rahmen ausprobieren zu können. Dazu müssten die Einrichtungen jedoch technisch besser ausgestattet werden und die pädagogischen Fachkräfte medienpädagogisch geschult werden. Um die Fortbildung von Fachkräften zu verbessern, sollte es am Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB) ein breiteres Angebot medienpädagogischer Fortbildungen geben.
Insgesamt ergibt sich für eine zukünftige Berliner Regierung ein großes Aufgabenfeld zum Ausbau einer digitalen Infrastruktur sowie der Unterstützung bedarfsorientiertaer Angebote der Medienbildung. Der Runde Tisch Medienbildung, der zur Unterstützung und Koordinierung unterschiedlicher Angebote der Medienbildung von der bisherigen Koalition initiiert wurde, hat an Bedeutung verloren und ist zu einem reinem Informationsgremium der Senatsschulverwaltung geworden. Dem interdisziplinär besetzten Expertengremium wird dabei kaum Zeit zur Beratung, Planung oder Koordination eingeräumt. Dem Runden Tisch Medienbildung sollte wieder eine übergeordnete Rolle im politischen Diskurs zu Medienbildungsthemen in Berlin eingeräumt werden. Die Medienbildung muss über den Bereich Schule hinaus in Hochschulen, Ausbildung, Wirtschaft bis hin zur frühkindlichen Erziehung integriert werden, um dem Anspruch für eine Bildung in einer digitalen Welt gerecht zu werden.
Forderungen
- Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf digitale Teilhabe und die Förderung ihrer Medienkompetenz.
Wir fordern das Land Berlin auf, für alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Zugangsvoraussetzungen für die Nutzung von digitalen Angeboten zu ermöglichen. Dafür müssen flächendeckend außerschulische und schulische Angebote umgesetzt werden, um Medienkompetenz vermitteln zu können.
Begründung
In Berlin sind die Kinderrechte bereits seit 2010 in der Landesverfassung verankert, Bildungssenatorin Sandra Scheeres fordert auch auf Bundesebene eine Verankerung im Grundgesetz.
Laut UN-KRK ist das Land Berlin dazu verpflichtet:
- jedem Kind einen uneingeschränkten und gleichberechtigten Zugang zur digitalen Welt zu ermöglichen (UN-KRK Art. 17), unabhängig von Herkunft, sozialem Status etc. (UN-KRK Art. 2).
- ihre Medienbildung und ihre Medienkompetenzen zu fördern (UN-KRK Art. 28).
- ihnen altersangemessene digitale Umwelten zur Verfügung zu stellen, damit sie ihr Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit, auf Versammlung, Spiel und Teilhabe, auf Privatsphäre, (Daten-)Schutz und auf Sicherheit uneingeschränkt ausüben können (UN-KRK Art. 3, 13, 15, 16, 31).
„Der UN-Fachausschuss für die Rechte des Kindes hat [Anfang 2021] eine Allgemeine Bemerkung zu den Rechten von Kindern im digitalen Umfeld verabschiedet. Alle Rechte, die Kindern durch die UN-Kinderrechtskonvention gewährt werden, gelten nun auch im digitalen Raum. Kinder haben zum Beispiel ein Recht auf Zugang zu Informationen im Netz und darauf, ihre Ansichten und Gedanken auch im Internet zu verbreiten.“ (https://www.digitale-chancen.de/content/stories/index.cfm/key.3661/secid.144/secid2.139/lang.1)
Umsetzung
Schulische und außerschulische (Lern-)Orte müssen in die Lage versetzt werden, junge Menschen angemessen in einem guten Aufwachsen mit Medien zu unterstützen. Grundlegend ist die Ausstattung mit der notwendigen technischen Infrastruktur (Internet mit ausreichender Bandbreite, flächendeckendes WLAN, mobile Endgeräte sowie weitere medienbildnerische Ausstattung) wie auch die medienpädagogische Aus- und Fortbildung dort tätiger pädagogischer Fachkräfte. Neben der konsequenten Umsetzung des DigitalPakts und des Basiscurriculums Medienbildung bedarf es vergleichbarer Pendants in der außerschulischen Medienbildung – also einen DigitalPakt und eine Medienbildungsstrategie für außerschulische Bildung. Zudem braucht es mehr Angebote für Familien und Eltern, um diese in der Medienkompetenzentwicklung und -erziehung ihrer Kinder unterstützen zu können.
2. Verbindliche medienpädagogische Aus- und Fortbildung für schulische und außerschulische pädagogische Fachkräfte sowie deren regelmäßige Evaluation und Anpassung.
Wir fordern den Aufbau und die Umsetzung eines Konzepts zur Aus- und Fortbildung für alle pädagogischen Fachkräfte in Berlin mit verbindlichen und konkreten Aussagen zu Inhalten, Zeitumfang und Finanzierung.
Begründung
Mediatisierung und Digitalisierung berühren und verändern unsere Gesellschaft tiefgreifend, die digitalen Medien sind ein selbstverständlicher Bestandteil kindlicher und jugendlicher Lebenswelten. Pädagogische Fachkräfte benötigen daher das medienpädagogische Handwerkszeug, um junge Menschen und ihre Eltern begleiten und unterstützen zu können. In pädagogischen Kontexten und Einrichtungen müssen medienpädagogische Themen in ihrer gesamten Bandbreite behandelt sowie Medienkompetenzen vermittelt und ausgebaut werden. Obwohl seit 2017 das Basiscurriculum Medienbildung Bestandteil des Rahmenlehrplans in Berlin und Brandenburg ist, hat Berlin noch immer kein schlüssiges Konzept zur Aus- und Fortbildung: Medienpädagogik ist in der Fachkräfteausbildung noch immer nicht verpflichtend in die Curricula implementiert, der Umfang der medienpädagogischen Fortbildungen an der SFBB ist verglichen mit dem Bedarf viel zu gering, die Regionale Fortbildung hat nur einzelne Tools und Methoden der Medienbidlung im Angebot und das Programm „Medienbildung für GUTE SCHULE“ der Schul-Senatsverwaltung ist weder verstetigt noch so gut finanziert, dass alle pädagogischen Fachkräfte Berlins in der Breite und angemessen erreicht werden können.
Umsetzung
Wie in anderen Bundesländern auch bedarf es eines sinnvollen medienpädagogischen Aus- und Fortbildungskonzept auf Landesebene. Ein solches Landeskonzept erfordert die Bereitstellung personeller und finazieller Ressourcen in den Bereichen frühkindliche Bildung, Schule, berufliche Bildung sowie in der Hochschullehre für pädagogische und sozialwissenschaftliche Studiengänge. Berlin braucht Lehrstühle für Medienpädagogik und Medienbildung und die Finanzierung medienpädagogischer Forschung. Zusätzlich bedarf es der Finanzierung von kontinuierlichen Weiterbildungen für alle pädagogischen Bereiche. Diese Konzepte müssen mit medienpädagogischen Expert*innen gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden -> siehe nächste Forderung.
3. Berlin braucht ein Forum und eine Netzwerkstelle zentraler medienbildnerischer Institutionen sowie die politische Anerkennung dieser Koordinationstelle.
Wir fordern eine Netzwerkstelle Medienbildung, die eine Berliner Strategie zur Implementierung von Medienbildung in der Bildungskette erarbeitet und mit den Akteur±innen von Medienbildung den Fachdiskurs auf Arbeitsgruppenebene organisiert, moderiert und finanziert.
Begründung
Berlin verfügt in festen und freien Trägern, den Medienkompetenzzentren, Arbeitsgemeinschaften, Institutionen, Universitäten, Fachhochschulen sowie weiteren Bildungsstätten und Netzwerke über hochkarätige medienpädagogische Expertise. Diesen Schatz gilt es durch die Etablierung eines Expertengremiums zu bündeln und zu heben, das aus o.g. Institutionen besetzt wird. Wir fordern eine Institutionalisierung und paritätische Besetzung sowie eine Anerkennung auf politischer Ebene, die konkrete Handlungsschritte mit sich bringt: die Finanzierung des Netzwerks und seiner Koordination sowie den Einbezug weiterer Institutionen und Personengruppen wie beispielsweise Schulen, Volkshochschulen, Bibliotheken etc.
Umsetzung
Das derzeitige Engagement zur Vermittlung von Medienkompetenz in Berlin braucht eine koordinierende Vernetzung, die eine Landesstrategie für ein ganzheitliches Medienbildungskonzept erarbeitet und kontinuierlich weiterentwickelt. Es bedarf einer Kooperationsvereinbarung zur Förderung von Medienkompetenz in Berlin, um für unser Bundesland konkrete Handlungsschritte kurz- und langfristig zu definieren. Durch eine zentrale und unabhängige Koordination können alle Angebote zur Förderung der Medienkompetenz in Berlin für alle Generationen und Bildungswege einfacher auffindbar und niedrigschwelliger zugänglich gemacht werden. Dabei ist es notwendig, bereits gewachsene Strukturen und Netzwerke zu stärken und Expert*innen im Land einzubinden. Ziel muss es sein, dass vorhandene Strukturen ausgebaut, gewachsenes Fachwissen der Aktiven der Medienbildung in Berlin gefördert und Parallelstrukturen vermieden werden. Wir bieten der zukünftigen Landespolitik an, diesen Prozess mit unserer Expertise aktiv und mit konstruktiven Ideen zu begleiten.
4. Medienkompetenzerwerb muss als generationsübergreifende und lebenslange gesellschaftliche Aufgabe ermöglicht werden.
Medienbildung und digitale Teilhabe ist nicht nur ein für junge Menschen elementar, sondern muss allen Erwachsenen und nicht zuletzt den Älteren mit dauerhaften Angeboten ermöglicht werden.
Begründung
Die mediale Entwicklung schreitet in einer solchen Geschwindigkeit voran und die digitalen Medien durchdringen unsere Gesellschaft wie auch unseren Alltag in solch einem Maße, dass sich auch unsere Medienkompetenzen beständig weiterentwickeln müssen. Nur informierte Nutzer*innen sind in der Lage, kritisch die Chancen und Risiken der digitalen Medien einzuordnen – lebenslanges Lernen macht auch nicht vor der Digitalisierung halt. Eine der dringendsten Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben sind daher niedrigschwellige und adressatengerechte Lernkonzepte zur Medienbildung für alle Altersgruppen. Digitale Teilhabe ist quer durch Gesellschaft und Alter mittlerweile unabdingbar für demokratische Teilhabe, Medienbildung ist daher eine politische und gesellschaftliche Querschnittsaufgabe.
Ein besonderer Baustein ist dabei die Förderung von politischer Urteils- und Handlungsfähigkeit im Rahmen der Medienbildung. Generationenübergreifende Medienbildung umfasst die ganze Familie, die Digitalisierung der Berufswelt, die kriminalpräventive Arbeit für die Bürger*innen sowie spezielle Angebote für die älteren Generationen. Ziel ist es, allen Generationen die Teilhabe an unserer digitalisierten Gesellschaft zu ermöglichen.
Umsetzung
Umfassende Bildungskonzepte entlang der gesamten Bildungskette gehören ebenfalls zum „Digital- Pakt für außerschulische Medienbildung“. Es bedarf spezieller Angebote für die älteren Generationen. Die bisher nur einzeln vertretenen Projekte für Älte- re im Land brauchen eine Ausdehnung in der Fläche sowie eine bessere Kooperation und Vernetzung. Gerade die Pandemie-Zeit hat gezeigt, wie wichtig digitale Verbindungen innerhalb von Familien sind. Hinzu kommt, dass demokratiegefährdende Phänomene wie die Unfähigkeit, Fake News als solche zu erkennen oder die Verbreitung von Hassrede insbesondere von älteren Menschen ausgehen und weniger von den sogenannten „digital natives“.
[1] Qulle JIM-Studie 2020